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Freitag, 1. Oktober 2010

Ein Tag im Leben der Larissa W.

Falls ihr euch schon mal gefragt habt, was ich eigentlich den ganzen Tag hier so mache - hier hab ichs mal aufgeschrieben. Ist ein ziemlich representativer Tagesablauf, allerdings sind normalerweise die Abende frei... 

07:20 Mein Wecker klingelt. Schlummerfunktion.
07:24 Ich beobachte eine Eidechse, die sich in unser Zimmer verirrt hat. Sie entkommt schließlich durch den Fensterspalt.
07:29 Mein Wecker klingelt erneut. Diesmal wird er ausgestellt.
07:32 Es kommt mir vor, als ob die Dusche seit meiner Ankunft kälter geworden ist. Oder ich hab mich ans Klima gewöhnt? Oder ist das Wetter kälter geworden? Hmm.
07:45 Ein Becher Saft zum Frühstück reicht mir. Ich begrüße mit einem „Buenas!“ (Die coolen Leute lassen hier das dias, tardes oder noches weg…) unsere Köchin Esther, die soeben ihre Arbeit begonnen hat.
08:07 Die 8-Uhr-Besprechung beginnt nach südamerikanischer Zeit überpünktlich. Unsere 2 Leiter, die Lehrerin, Petra, Johanna und ich sind anwesend. Sie beginnt mit einer kleinen Andacht. Dann eine Lagebesprechung. Neue Kinder sollen aufgenommen werden. Eine neue Lerngruppe soll eingerichtet werden für Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, weil sie zu alt für die 1. Klasse sind, dort aber trotzdem nicht mitkommen. Es sollen ihnen die Basis von Schreiben, Lesen und Rechnen beigebracht werden. So sollen sie ab Februar in die 4. Klasse gehen können.
08:45 Meine Aufmerksamkeit gleitet dahin. Einer Diskussion in einer Sprache, die man kaum kann zu folgen und das Ganze dann noch in einer ebenso fremden Sprache übersetzt zu bekommen ist extrem anstrengend.
09:00 Endlich fertig! Das Tor wird aufgeschlossen, die Morgengruppe wartet schon davor.
09:08 Ich setzte mich auf die Terrasse und während die acht Kinder frühstücken, schreibe ich den bisherigen Tagesablauf auf und beobachte dabei wie Petra unsere drei Schildkröten füttert.
09:19 Anderson, unser Maler, oder Hausmeister, oder was auch immer (ich hab noch nicht so ganz verstanden, was er ist... Zuerst dachte ich er würde nur unser Zimmer streichen. Doch als er damit fertig war, war er am nächsten Tag einfach wieder da. Und so geht das die ganze Zeit. Immer wenn ich denke, er hat alles erledigt ist er am nächsten Tag wieder da. Hat das Büro gestrichen, das Besprechungszimmer, hat ein Fliegengitter angebracht… Da gabs doch mal so einen Werbeslogan? Jippiejajajippiejippiejey!) beginnt seine Arbeit. Das animiert mich es ihm gleich zu tun und mich daran zu machen, noch ein paar Buchstaben auszuschneiden – für den dieswöchigen Bibelvers für den Kindergottesdienst am Freitag.
09:30 Eins der Mädchen (das vom ersten Abend) wurde von einer Raupe gebissen (das ist jedenfalls das, was ich verstanden hab) und darf jetzt auf der Terrasse in der Hängematte liegen. Die anderen Kinder lernen unterdessen, wie man nett und angemessen miteinander in Gesprächen umgeht.
09:45 Die Kiddies gucken jetzt einen Film – über einen Delfin, der seine Träume leben will. Das soll die Vorstellungskraft fördern. Denn da die Kinder zuhause den ganzen Tag nur Telenovelas zu sehen bekommen und auch keine Bücher lesen, ist schon ein sprechender Delfin ein phantastisches Erlebnis. Ich setz mich Petra daneben, damit niemand quatscht oder rumturnt.
09:55 Matilde kommt vorbei. Sie ist 14 Jahre alt und ist mal regelmäßig ins Projekt gekommen. Seit einiger Zeit allerdings nicht mehr, was - wie wir am Montag, als wir sie zu Hause besucht haben, feststellen konnten - daran liegt, dass sie schwanger ist. Sie ist hier für ein Gespräch mit Petra, die ihr einige Tipps geben will, einfach mit ihr über die Situation reden will und sie vor allem von der Idee abbringen will, mit ihren Freund nach Venezuela abzuhauen Sie erhoffen sich dort ein besseres Leben.
11:03 Der Film endet damit, dass der Delfin während einer Sonnenfinsternis auf einer Megawelle surft. Ich hab nicht wirklich verstanden, worum der Film ging.
11:20 Nachdem die Kinder über ihre eigenen Träume gesprochen haben, gibt’s Essen für sie. Ich schenke den Saft aus und mach mich danach wieder ans rumschnipseln.
12:00 Unsere neuen Schränke sind fertig! 2 Tage haben die Männer dafür gebraucht – für einen eher kleinen Kleiderschrank und eine Kommode! Nun ja – die sind eben nicht so erfahren im Möbel selber aufbauen wie wir Ikeanationen.
12:10 Es gibt essen! Und ich darf mal wieder das Tischgebet sprechen. Ich glaub die mögen das, wenn ich auf Deutsch bete. Aber ich mein, ich könnte auch ganz fürchterliche Dinge sagen - niemand würde es merken. Aber ich danke natürlich nur fürs Essen gedankt und wünsche uns noch einen guten Tag.
12:25 Man fragt mich, ob ich nicht mal was typisch Deutsches kochen will… Hilfe! Was ist typisch deutsch? Habt ihr vielleicht ne gute Idee? Und bitte erspart mir das Sauerkrautklischee.
12:53 Siesta – ich check mal kurz meine Mails und Facebook…
13:12 Ich opfere meine Siesta und mache mit dem Ausschneiden weiter, da ich ein bisschen hinterher bin…
13:19 Petra zeigt mir auf Youtube ein Video, wo die australische Heidi Klum bei „Australias Next Topmodel“ die falsche Siegerin kürt – peinlich!
13:35 Die Nachmittagstruppe trudelt ein – nur 4 Kinder.
13:41 Ein Nachzügler. 5 Kinder bekommen essen.
13:50 Ein mysteriöser englischsprechender, grauhaariger Mann betritt das Projekt…
13:55 Er ist offenbar hier, um sich das Promovideo des Projekts anzusehen. Vielleicht ein zukünftiger Sponsor? (Apropos: Promo-Video El Refugio)
14:04 Alle Buchstaben sind ausgeschnitten und aufgeklebt. Jetzt bereite ich mich auf die nächste Aufgabe vor – ein neues Ordnungskonzept für den Materialraum überlegen!
14:55 Es ist sehr stickig in der Materialkammer. Ich mach erst mal Pause.
15:55 Die Pause ist zum Arbeitsende geworden. Jetzt werden Vorbereitungen für den Elternabend getroffen.
16:50 Um 16:30 sollte der Elternabend anfangen. Bisher ist noch niemand da. Das ist Latino-Pünktlichkeit gepaart mit dem Desinteresse der Eltern
17:24 Ganze 4 Mütter sind gekommen… eine Stunde zu spät.
19:20 Um acht ist Gebetsabend bei unsern Leitern Martin & Rosa. Diesmal hab ich mein Geld für den Bus schon parat. Letztes Mal musste ich während der Fahrt im Stehen mein Geld zusammenzählen. Und das bei dem im vorherigen Beitrag beschriebenen Fahrstil!
20:47 Während der Gebetszeit fällt mir das immer lauter werdende Atmen von Andres (auch ein Mitarbeiter) auf (Er hat die Nase zu, deshalb fällt das so auf.) Gerade als mir in den Sinn kommt: „Der ist doch wohl nicht eingeschlafen?!“ treffen sich Johannas und meine Blicke. Ich kann nicht mehr. Johanna muss das Lachen so unterdrücken, dass sie den Raum verlässt und ins Bad geht. Ich kämpfe gefühlte 15 Minuten gegen das Lachen an. In solchen Momenten fällt einem nie etwas ein, das schrecklich genug ist, um das Lachen zu beenden…
22:20 Jeder sollte ein Spiel o.ä. vorbereiten. Mir ist nichts eingefallen, deshalb hat Petra mir vorgeschlagen, bekannte Bibelverse auf Deutsch vorzulesen – die andern müssen dann durch heraushören von bestimmten Wörtern und durch Fragen herausfinden, welcher es ist. Während ich lese: „Euch ist heute der Retter geboren…“, muss Andres so lachen, dass er nicht mehr aufhören kann – Hallo? Unsere schöne Sprache ist doch nicht lustig!? (Aber ich hab ja heute auch schon über ihn gelacht…)
23:23 Andres hat ein deutsches Wort gelernt: „Licht“ – und ist ganz begeistert. Allerdings kann ich ihn so oft korrigieren wie ich will, er sagt immer „Lichte“.
00:02 Puh! Wir verabschieden uns. (Und Andres sagt noch einmal stolz „Lichte!“) 
00:15 Der Taxifahrer fährt beinahe ein Pferd tot und findet das auch noch total lustig. Wir eher nicht so…
01:05 Endlich im Bett und mir fällt ein: ich schulde euch eigentlich noch ein Bild von einem Colectivo. Bittesehr (Gleich 2!):





2 Kommentare:

  1. Zu dem Film gibts auch ein kurzes Buch,heißt der träumende Delfin.Echt schön,der willt halt Surfer werden,deshalb die perfekte Welle und traut sich als einziger von seiner Familie,mal was eigenes und anderes zu machen.:)
    Und ich würde vielleicht Reibekuchen vorschlagen,aber ihr habt ja nur Reis.:D

    Lydia

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  2. Mensch lydl,du hast anscheinend auch den film gesehn,obwohl du zuhause immer nur telenovelas guckst ;D

    mach doch uneseren berühmten nachoauflauf-falls das die zutaten zulassen-dann kannste auch sagen wäre nach ganz persönlichem rezept ;D

    hab dich lieb
    die sonni

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