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Montag, 27. September 2010

Meine erste Woche

So. Eine Woche ist rum und ich dachte es ist mal wieder Zeit für einen Blogeintrag, um euch von einigen von meinen Eindrücken hier zu berichten.

Meine Woche fing erst mal schon sehr interessant an, denn direkt an meinem ersten Abend (meine Ankunft am Sonntagabend nicht mitgerechnet) ist ein Mädchen aus dem Projekt vor unserer Tür aufgetaucht, im Schlafanzug, barfuß und mit Blutflecken auf dem T-Shirt. Es stellte sich heraus, dass sie von zu Hause weggelaufen war, weil ihr kleiner Bruder aus dem Bett gefallen war, sich den Kopf aufgeschlagen hatte und sie nun solche Angst vor der Reaktion des Vaters hatte, da sie sich die Schuld dafür gab, dass der Bruder aus dem Bett gefallen war. Mich hat sie die ganze Zeit etwas misstrauisch beäugt, aber später hab ich dann ein paar Runden Jenga mit ihr gespielt, während die anderen Mitarbeiterinnen, mit denen ich hier im Projekt lebe mit dem Vater telefoniert haben und später als er dann hier war mit ihm über die Situation geredet haben.
Petra – meine Kollegin und Mitbewohnerin hat mir dann gesagt, dass sowas normalerweise nie passiert und ich sollte nicht denken, dass hier jeden Abend sowas los ist.
"El Refugio"
Allerdings hat es dann prompt am nächsten Abend wieder an der Tür geklopft. Ein anderes Mädchen aus dem Projekt war mit ihrer Mutter hergekommen, weil sie eine Verletzung am Kopf hatte und die Leute im Krankenhaus gesagt hatten, dass sie über Nacht zur Beobachtung da bleiben sollte. Da die Mutter aber schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht hatte, wollte sie eine zweite Meinung von einem Arzt einholen, der mit den Leitern unseres Projekts befreundet ist. Das war jedenfalls, das was ich verstehen konnte. Es wurde dann ein bisschen herumtelefoniert und ein Termin für den nächsten Tag ausgemacht. 
Als die beiden wieder gegangen waren, versicherte Petra mir etwas verzweifelt: „Wirklich, das passiert sonst nie!“ Die restlichen Tage ist es dann auch wirklich ruhig geblieben.
Aber das hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass die Kinder und auch ihre Eltern hier Vertrauenspersonen haben die ihnen helfen, wo sie können und sie hier, wie der Name des „El Refugio“ schon sagt, eine Zuflucht finden.

Ansonsten durfte ich diese Woche so richtig merken, dass ich nicht mehr in Europa bin, sondern in Südamerika!
Ich werd euch mal von ein paar von meinen Erfahrungen berichten. Von allen zu berichten erscheint mir unmöglich – ich hab das Gefühl, da müsste ich schon fast ein Buch schreiben. Aber schätze das liegt einfach daran, dass hier einfach (fast alles) komplett anders ist als in Deutschland oder in Europa.
Zum Beispiel das Essen. Am Montag gab es nämlich erst mal Reis, am Dienstag dann Reis und am Mittwoch Reis. Und am Donnerstag und am Freitag haben wir Reis gegessen.
Zugegeben, es gab immer eine andere Beilage und auch jeden Tag eine andere Soße, aber trotzdem muss man sich daran natürlich erst mal gewöhnen.
Oder der Umstand, dass man hier mit Ventilatoren lebt. Immer und überall. Nachts laufen in unserem kleinen Zimmerchen 3 Stück. Eine ziemlich herausfordernde Aufgabe war es dann auch neben und unter einem Ventilator zu basteln. Da lernt man mal den wahren Wert von Briefbeschwerern zu schätzen.
Und dann natürlich der Verkehr. Bisher sind eindeutig die Colectivos meine Lieblingsfortbewegungsmittel, weil es immer kleines Abenteuer ist mit ihnen zu fahren. Diese Colectivos muss man sich vorstellen wie ein Taxi, dass man sich mit mehreren teilt. Man hält also ein Colectivo an und fragt, ob es in die Richtung fährt in die man möchte. Wenn ja, steigt man ein – oder sollte ich besser sagen auf. Die Colectivos sind nämlich alle kleine Jeeps, die im hinteren Teil 2 Bänke für je 3 Personen haben und vorne neben dem Fahrer sind auch nochmal 2 Plätze.
Das heißt allerdings nicht, dass der Fahrer keinen mehr mitnimmt, wenn bereits acht Leute mitfahren. Nein man kann sich ja gemütlich zu viert auf eine Bank quetschen und wozu hat der Jeep hinten direkt vor der immer offenstehenden Tür eigentlich ein Trittbett? Richtig, damit man sich draufstellen und mitfahren kann. Ein bisschen erschrocken hab ich mich als mitten während der Fahrt (zugegeben aufgrund des Verkehrs nur Tempo 30 oder so, aber immerhin) ein Mann, der hinten draufstand einfach abgesprungen ist und seines Weges gegangen ist. Ich dachte im ersten Moment er hätte vielleicht den Halt verloren und wäre runtergefallen. Aber bitte, wenn er da rausmusste, warum sollte er unnötig den Verkehr aufhalten und den Fahrer bitten anzuhalten?
Auch nicht zu verachten ist dabei Fahrstil der Südamerikaner. Natürlich bin ich nicht mit der Erwartung nach Kolumbien gegangen, dass Ampeln hier irgendeine Bedeutung haben, oder Verkehrsregeln, oder Straßenmarkierungen, oder Sicherheitsgurte, oder Autotüren… 
Aber in einem Auto zu sitzen und live dabei zu sein, wenn der Fahrer (während er die Tageseinnahmen zählt und permanent auf die Hupe drückt) ein anderes Taxi überholt, dass ihm zu langsam fährt, obwohl ersichtlich ist, dass das Taxi nur langsam fährt, weil auch das Auto vor ihm langsam fährt, also gar kein Platz ist wieder auf die richtige Spur zu wechseln und obwohl auf der gegenüberliegenden Fahrbahn mehrere Mofas, Autos und Busse entgegenkommen und sich durch die ganze Szene dann auch noch eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm und ein Straßenhund schlängeln – dann ist das schon etwas anderes.
Aufgrund dieses rasanten Fahrstils musste ich mich ziemlich am Sitz festkrallen, da ich ein bisschen in Sorge war, beim Ruckartigen anfahren oder Gasgeben nach links zu fallen – gegen den Mann, der auf dem Trittbrett mitfuhr, diesen so auf die Straße zu befördern und ihn vom nächsten Auto überrollt zu sehen. Ist aber zum Glück nicht passiert.
Allerdings gibt es auch so einige Dinge, die wohl auf der gesamten Welt gleich zu sein scheinen.
Denn obwohl die Kinder in unserem Projekt aus extrem armen Verhältnissen stammen und wenn überhaupt nur eine Mahlzeit am Tag bekommen würden, wenn sie nicht bei uns essen würden, wissen die Kinder doch sehr sorgfältig das Gemüse aus dem Essen auszusortieren. Der Satz „Iss das Gemüse auf! Arme Kinder würden sich darüber freuen!“  ist damit also so gut wie hinfällig. Auch arme Kinder mögen nämlich kein Gemüse.
Brotverkäuferin, rechts Jungs die für ein paar Pesos beatboxen.
Oder die Jugendgruppe. Donnerstagnachmittags  ist hier nämlich immer ein Programm für Kinder von 12 – 16 Jahren und man hatte mir vorher gesagt, dass in der Gruppe hauptsächlich Mädchen wären. Petras Kommentar dazu: „Also wie in jeder Jugendgruppe auf der Welt auch.“ Da hat sie wohl Recht. Es waren dann auch tatsächlich nur 2 Jungs und 8 Mädchen da.

Tja, also ich bin jedenfalls froh hier zu sein und hoffe euch geht’s gut im herbstlichen Deutschland.
Ich war gestern übrigens am Strand und hab mir einen klitzekleinen Sonnenbrand von der karibischen Sonne geholt. Allerdings ist das wichtigste, was man an Spanisch am Strand wissen muss: „No, Gracias!“, da ca. alle zehn Sekunden jemand vorbeikommt, der dir Sonnenbrillen, Schmuck, Früchte, Getränke, Eis, Massagen, Bilder, Fisch, T-Shirts, Brot oder auch ein kleines Beatboxständchen verkaufen will. Und das mit den 10 Sekunden war wirklich nicht sehr übertrieben.

Bis dennsen
Larissa

3 Kommentare:

  1. Laaaaarissa....ich weiss ja nicht ob du schon weisst, was du mal werden willst, aber bitte irgendetwas, was mit GEschichten schreiben zu tun hat, Journalisten oder so...ka, du schreibst einfach meeeeeeeeega gut!
    Ixh muss mich die ganze zeit kringeln vor lachen!

    Alles Gute dir!

    Sylvia

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  2. An Sprichwörtern ist doch was dran. Reisen bildet! Nicht nur die Autorin, sondern im besten Fall auch die Leser und Leserinnen. Vielen Dank für die erhellenden und erheiternden Einblicke in den "karibischen" Alltag.

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  3. Liebe Larissa,
    einfach herrlich erfrischend (trotz Hitze bei Euch) zu lesen... Du solltest viele Notizen machen und irgendwann mit Deinem tollen Schreibstil ein Buch veröffentlichen....
    Freu mich schon auf Deinen nächsten Bericht.
    Alles Liebe, Gottes Segen und weitere gute Erlebnisse.

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